Mauthausen

Nachruf Elisabeth Pozzi-Thanner (1951-2021)

26.07.2021

Nur wenige Tage nach ihrem 70. Geburtstag starb Elisabeth Pozzi-Thanner nach langer Krankheit in Wien. Die aus aller Welt via Video-Stream eingegangenen Glückwünsche zum Geburtstag konnte sie am 7. Juli 2021 noch genießen.

Ihr Lebensweg führte sie von Wien über Rom, wo sie für ORF und SOS-Kinderdorf arbeitete, nach New York. Dort etablierte sie sich als freie Interviewerin für Oral-History-Projekte, dies ist eine Berufssparte, die in den USA nicht ungewöhnlich ist. Für die "Survivors of the Shoah Visual History Foundation" führte sie in den 1990er Jahren mehr als 100 Interviews. Sie war geprägt von ihrer vielseitigen Familiengeschichte, vor allem der Biografie ihrer Eltern, die dem legitimistischen Widerstand (meist "Gruppe Müller-Thanner" genannt) angehörten. Dessen Mitglieder wurden im November 1939 verhaftet und ihr Vater wurde 1943 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Elisabeth Pozzi-Thanner arbeitete an zahlreichen Oral History Projekten, die von Familien, NGOs, Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen in Auftrag gegeben wurden. Eines der wichtigsten Projekte war das "9/11 Oral History Project" nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, wo sie damals noch lebte. In den letzten Jahren übersiedelte Elisabeth Pozzi-Thanner zurück nach Wien.

Für das Mauthausen Archiv war Elisabeth Pozzi-Thanner insofern wichtig, als sie Koordinatorin des "Mauthausen-Survivors Documentation-Projects" in den USA war und mit ihrem Team viele wertvolle Interviews dem Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen überlassen konnte. Eines davon ist jenes mit Solomon J. Salat. Eine editierte Version des Interviews ist heute auf der Website der KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu sehen. Eine Version in voller Länge ist auf www.weitererzaehlen.at abrufbar.

Ihre Art des einfühlsamen Zuhörens, des Fragens und Hinterfragens, ihre Begeisterung für diese Form der Geschichtsforschung, nämlich den Menschen zuhören und ihnen eine Stimme zu geben, das wird bleiben und wird weiterhin in den von ihr geführten Interviews zu sehen und zu hören sein.

Elisabeth Pozzi-Thanner wird der amerikanischen Oral History Community sehr fehlen.

Text: Albert Lichtblau