Filmvorführungen
Wien
Befreiung! Neuanfang? Leben nach dem Konzentrationslager
Beitrag von Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum
Die Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten 1944/1945 markiert einen Schlüsselmoment in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. 80 Jahre danach widmen sich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und das Österreichische Filmmuseum in einer gemeinsamen Filmreihe von Februar bis Juni 2025 diesem historischen Ereignis und seinen Nachwirkungen. Was bedeutete der Neuanfang nach dem Grauen der Massenvernichtung? Anhand fünf hervorragender Filme wird diese Frage exemplarisch untersucht, in ihrer gesellschaftlichen wie individuellen Dimension.
Zur Eröffnung läuft mit L‘heure de la vérité (1965) von Henri Calef ein vernachlässigtes Meisterwerk des Holocaust-Kinos: Karlheinz Böhm spielt darin einen ehemaligen Lagerkommandanten, der die Identität eines seiner jüdischen Opfer angenommen und in Israel ein neues Leben begonnen hat. Alfréd Radoks Daleká cesta (1949) ist eine visionäre Pionierarbeit zum Thema: Während ihre Familie nach Theresienstadt abtransportiert wird, entgeht eine jüdische Ärztin aus Prag – vorläufig – der Deportation, weil sie einen Christen geheiratet hat. Im packenden Noir-Krimi The Glass Wall (1953) spielt Vittorio Gassman einen KZ-Überlebenden, der als Flüchtling in New York untertaucht und vor der Polizei bis an die Spitze des neu gebauten UNO-Hauptquartiers flieht. Das Drama Lebende Ware (1966) rekonstruiert die Ereignisse rund um die Einführung des achtköpfigen „Judenrats“ in Budapest 1944, der die deutschen Maßnahmen zur „Endlösung“ durchsetzen helfen soll. Den Schlusspunkt setzt Francesco Rosis La tregua (1996) nach den Erinnerungen des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi (gespielt von John Turturro), einem der bedeutendsten Autoren über den Holocaust.
Alle Filme werden in Originalfassung mit Untertiteln in 35mm-Filmkopien an ausgewählten Sonntagen um 15:00 Uhr bei freiem Eintritt und mit einführendem Vortrag im Österreichischen Filmmuseum (Augustinerstraße 1, 1010 Wien) gezeigt:
- 16.02.2025: L‘heure de la vérité (Die Stunde der Wahrheit, Regie: Henri Calef, Frankreich/Israel, 1965). Eröffnung der Filmreihe und Einführung von Christoph Huber (Österreichisches Filmmuseum)
- 16.03.2025: Daleká cesta (Distant Journey, Regie: Alfréd Radok, Tschechoslowakei, 1949). Einführung: Elisabeth Streit (Österreichisches Filmmuseum)
- 13.04.2025: The Glass Wall (Die gläserne Mauer, Regie: Maxwell Shane, USA, 1953). Einführung: Gregor Holzinger (KZ-Gedenkstätte Mauthausen)
- 18.05.2025: Lebende Ware (Regie: Wolfgang Luderer, DDR, 1966). Einführung: Elisabeth Streit (Österreichisches Filmmuseum)
- 15.06.2025: La tregua (Atempause, Regie: Francesco Rosi, Italien/Frankreich/Deutschland/Schweiz, 1996). Einführung: Tom Waibel (Österreichisches Filmmuseum)
Kartenreservierungen sind nach dem Erscheinen des jeweiligen Monatsprogramms im Österreichischen Filmmuseum online (www.filmmuseum.at) und telefonisch (01/5337054) möglich.
Mauthausen
Filmretrospektive Mauthausen: 80 Jahre Befreiung! Aus dem Lager befreit – das Trauma bleibt…
Beitrag der Kurator*innen der Filmretrospektive, Elisabeth Streit und Tom Waibel (Österreichisches Filmmuseum)
Mit dem Beginn der Befreiung der Lager durch die alliierten Soldaten offenbarten sich den Rettern unvorstellbare Bilder des Grauens. Die Überlebenden konnten das ihnen angetane Leid nicht vergessen und die Nachkriegsgesellschaft wollte sich so schnell wie möglich von der Vergangenheit lossagen. Die Open-Air-Filmretrospektive 80 Jahre Befreiung! Aus dem Lager befreit – das Trauma bleibt… an der Gedenkstätte Mauthausen widmet sich vom 20. bis 23. August 2025 den traumatischen Erinnerungen von Überlebenden und ihren Bemühungen von den erlebten Grausamkeiten Zeugnis abzulegen.
Vier Filme aus sechs Jahrzehnten beschäftigen sich auf unterschiedliche und eindringliche Weise mit dem übermächtigen Trauma des Erlebten und den Schuldgefühlen, angesichts von Millionen Toten zu den Überlebenden zu zählen. Die vorgestellten Protagonist*innen bleiben von ihren Erfahrungen tief gezeichnet: sei es, dass sie in ihren Erinnerungen immer wieder blitzartig vom Grauen der Lager heimgesucht werden, oder sei es, dass sie sich auf die Reise zu den Orten ihrer Vergangenheit wagen. Denn sie alle wissen, was es bedeutet, trotz der an ihnen verübten Untaten gleichwohl mit Scham behaftet zu sein.
„Die Zukunft erfüllt uns mit Angst, mit Scham die Vergangenheit“, erklärte einst Elie Wiesel, „und beide Ereignisse und Gefühle sind eng miteinander verknüpft wie die Ursache mit der Wirkung.“ Später ergänzte er: „Ich erinnere mich, und wenn ich sagen soll, woran ich mich erinnere, dann zittere ich. Reden wir also lieber von dem, was zu tun ist.“ Diese Aufforderung stellt uns angesichts des Vergangenen vor drängende Fragen: Was hätten wir damals gemacht? Was sollen wir heute tun? Die Überlebenden der Lager haben bleibende Antworten formuliert und ihr gemeinsamer Ausgangspunkt lautet mit Primo Levi gesprochen: „Schweigen ist ein Fehler, fast ein Verbrechen.“
Mi, 20.– Sa, 23.08.2025 jeweils ab 20:00 Uhr vor dem Besucher*innenzentrum