Open-Air-Filmretrospektive: "Verleugnete Schuld und bleibende Verantwortung"
24.08.2016, 20:00 - 27.08.2016, 23:00 Uhr
Von 24. bis 27. August 2016 wurden vor dem Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ab 20:00 Uhr Spielfilme zum Thema "Verleugnete Schuld und bleibende Verantwortung" gezeigt.
Nie hat sich in der österreichischen Zeitgeschichte die Frage nach umfassender Verantwortung für ein gesellschaftliches Problem so eindringlich gestellt, wie in der gegenwärtigen Krise des Umgangs mit der Not von ExilantInnen und Flüchtlingen. Eine aktuelle humanistische und demokratische Antwort auf diese Krise hat auch sehr viel mit historischem Bewusstsein, mit Erinnerung und dem Umgang mit der eigenen Geschichte zu tun. Erinnern wir uns, wie vor Jahrzehnten all diejenigen, die dem NS-Regime nicht genehm waren, flüchten mussten oder in Lager deportiert wurden oder umgebracht wurden. Erinnern wir uns auch daran, wie die Not der Flüchtlinge war, wie nur wenige Länder bereit waren, die vertriebenen ÖsterreicherInnen aufzunehmen, wie Tausende an den Grenzen zurückgewiesen wurden.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber die moralische Verantwortung bleibt in jeder Generation. Umso wichtiger ist es, sich historischen Fragen von Schuld, individueller und gesellschaftlicher Verantwortung zu stellen. Die vier Spielfilme, die von 24. bis 27. August 2016 ab 20:00 Uhr vor dem Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gezeigt wurden, wollen eine aktive Auseinandersetzung mit historischer Schuld und der ungenügenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in den Jahrzehnten nach 1945 bewirken.
Die Open-Air-Filmretrospektive wird von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen seit 2005 veranstaltet und widmet sich einem jährlichen Schwerpunktthema. Kuratiert wird die Filmreihe von Univ.-Prof. Dr. Frank Stern, Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und von Mag. Stephan Matyus, KZ-Gedenkstätte Mauthausen.
Programm:
Mittwoch, 24. August 2016, 20:00 Uhr
"Das Urteil von Nürnberg"
US 1961, 186 Min., Regie: Stanley Kramer
Die Nürnberger Prozesse sind im Jahr 1961 schon längst abgeschlossen und das weltweite Interesse an juristischer Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus flaut bereits ab, nicht aber jenes der Überlebenden. Sie werden in gar dokumentarischer Weise als Zeugen von Daniel Haywood (Spencer Tracy), dem führenden Richter des amerikanischen Militärgerichts gegen vier leitende Juristen des „Dritten Reichs“, im Film aufgeführt. Ernst Janning (Burt Lancaster) sitzt auf der Anklagebank, entschließt sich jedoch zu schweigen, was den Richter an seiner Schuld zweifeln lässt und seinem Verteidiger die Möglichkeit gibt, ihn nicht als jenen treuen Diener eines verbrecherischen Regimes, der er war, zu inszenieren, sondern auf Eichmann’sche Weise als kleines Rad im System. Der Film ist jedoch nicht nur die bloße Darstellung eines juristischen Prozesses, denn tagespolitische Geschehnisse, das alltägliche Gerede der Menschen hinter verschlossenen Türen oder auch auf offener Straße, sowie die Frage nach der Verantwortlichkeit des Einzelnen zeichnen ebenso das Bild der Zeit.
Donnerstag, 25. August 2016, 20:00 Uhr
"Chronik eines Mordes"
DDR 1964, 92 Min., Regie: Joachim Hasler
Gibt es Rache oder Vergeltung Überlebender an ihren Peinigern, an den Mördern ihrer Familien? Die 1950er Jahre in einer westdeutschen Kleinstadt, der Mief der Verdrängung, die Ablehnung jeglicher Schuld und Verantwortung prägen die gesellschaftliche Atmosphäre. Eine Überlebende, die Gerechtigkeit erwartet und hofft, dass NS-Täter vor Gericht gestellt werden, ist lediglich ein Störenfried, eine Art Brandstifter unter Biedermännern. Der DEFA-Film „Chronik eines Mordes“ zeichnet sich auch dadurch aus, dass Situationen jüdischer Tradition unter dem Terror der Nazi-Herrschaft gezeigt werden. Der Film basiert auf einer Erzählung von Leonhard Frank. Der Drehbuchautor Angel Wagenstein hat unter anderem mit Konrad Wolf zusammengearbeitet und war wesentlich an der demokratischen Wende in Bulgarien 1990 beteiligt.
Freitag, 26. August 2016, 20:00 Uhr
"Jetzt und in der Stunde meines Todes"
DDR 1963, 98 Min., Regie: Konrad Petzold
Der politische Kriminalfilm „Jetzt und in der Stunde meines Todes“ gehört zu jener Reihe von Defa- Filmen, deren Augenmerk sowohl auf die nazistischen Hinterlassenschaften als auch Probleme des Verschweigens und Vertuschens in Westdeutschland gerichtet war. Die westdeutsche Journalistin Ella Conradi berichtet aus Jerusalem vom Eichmann-Prozess. Die geschilderten Gräuel schockieren sie dermaßen, dass sie ihre Reportage abbricht und nach Deutschland zurückkehrt. Man überträgt ihr die Recherche in einem scheinbar gewöhnlichen Mordfall. Doch plötzlich reichen die Fäden zurück in die Nazizeit, sie spinnen sich um die Vergangenheit führender Persönlichkeiten in Politik, Justiz und Wirtschaft.
Samstag, 27. August 2016, 20:00 Uhr
"Der Rosengarten"
BRD/Ö/USA 1989, 112 Min., Regie: Fons Rademakers
„Der Rosengarten“ ist einerseits ein Drama über die späten Gräueltaten der Nazis, welche noch 1945 zwanzig jüdische Kinder erhängten, die zuvor für medizinische Versuche im Konzentrationslager Neuengamme missbraucht wurden. Andererseits ist es ein Versuch, den Umgang der Überlebenden in der fortwährenden Konfrontation mit Nazi-Kriegsverbrechern zu veranschaulichen, sowie eine Visualisierung der Opfer-Täter-Umkehr durch das gerichtliche Verfahren gegen Aaron Reichenbach (Maximilian Schell). Reichenbach glaubt jenen KZ-Kommandanten wiedererkannt zu haben, der für die eben genannte Ermordung der Kinder verantwortlich war, wird jedoch, nachdem er ihn niederschlägt, selbst vor Gericht gestellt. Artur Brauner fungierte bei dem Film „Der Rosengarten“ sowohl als Produzent als auch als Drehbuchautor.
Die Filmreihe wurde durch einen kurzen Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Frank Stern eingeleitet. Im Anschluss an die Filmvorführungen gab es die Möglichkeit für Fragen und zur Diskussion.
Begleitete Rundgänge durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen:
Am Samstag, 27. August 2016, wurden um 16:00 Uhr, vor Beginn der Filmretrospektive, begleitete Rundgänge durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen angeboten.
Links:
Univ.-Prof. Dr. Frank Stern
Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien
Universität Wien
Veranstalter:
KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Kooperation mit dem Schwerpunkt Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte der Universität Wien.
Kontakt:
KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Mauthausen Memorial
Minoritenplatz 9
1010 Wien
Tel: +43 1 53126 3039
E-Mail: office@mauthausen-memorial.org