Abschied von Michael J. Kraus
20.12.2018
Aus den USA erreichte uns die traurige Nachricht, dass Michael J. Kraus am 17. Dezember 2018 verstorben ist.
Michael J. Kraus wurde am 28. Juni 1930 im tschechoslowakischen Trutnov als einziges Kind des Arztes Karel Kraus und seiner Frau Lotte geboren. Ende 1942 wurde die Familie ins Ghetto Theresienstadt deportiert und ein Jahr später in das Familienlager in Auschwitz-Birkenau. Die SS ermordet dort im Juli 1944 Michaels Vater. Seine Mutter wurde im selben Monat als Zwangsarbeiterin in das KZ Stutthof deportiert, wo sie am 8. Januar 1945 starb. Im Januar 1945 wurde Michael J. Kraus mit einem Evakuierungstransport zunächst nach Mauthausen und weiter in das Außenlager Melk verschleppt.
Nach der Räumung des Außenlagers Melk musste er einen mehrtägigen Fußmarsch von Mauthausen in das Auffanglager Gunskirchen durchstehen. Von den Torturen der KZ-Haft geschwächt, gab ihm die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner Mutter die Kraft, um für sein Überleben im KZ zu kämpfen.
Michael J. Kraus wurde am 5. Mai 1945 von der US Armee befreit. An Typhus erkrankt, wurde er einen Monat lang von Ärzten des US Military Hospitals in Hörsching bei Linz medizinisch versorgt. Über Wiener Neustadt, Bratislava und Prag kehrte er in seine Heimat zurück, wo er seine Erfahrungen von 1942 bis 1945 in einem Tagebuch festhielt. Erst hier erfuhr er vom Tod seiner Mutter.
1948 emigrierte Michael nach Montreal und beendete dort seine Schulausbildung. 1955 schloss er das Studium der Architektur an der Columbia University in New York ab. Später arbeitete er als Architekt in New York und Genf, wo er seine zukünftige Frau MUDr. Ilana Eppenstein kennenlernte. Sie heirateten im Mai 1963. 1964 kam ihre erste Tochter Dana zur Welt und drei Jahre später ihre Tochter Tamara.
2015 präsentierte Michael J. Kraus an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen sein Buch "Tagebuch 1942-1945. Aufzeichnungen eines Fünfzehnjährigen aus dem Holocaust". Das Tagebuch ist das Zeugnis eines Teenagers, der unmittelbar nach Kriegsende sein Erleben der Deportation in Text und Zeichnungen festhielt. Der Rückblick auf diese existenzielle Erfahrung ist der eines Jugendlichen. In nüchterner Sprache verfasst, besticht dieser Text – gemeinsam mit der noch ungeübten Strichführung der Skizzen – durch seine starke Unmittelbarkeit. Bücher wie diese, so schreibt Wolfgang Benz in seinem Vorwort zum Tagebuch, „ergreifen junge Menschen, wenn sie in Schulen durch ihre authentische Gegenwart die Geschichte anschaulich machen, wenn sie dazu beitragen, historische Fakten aus deren Abstraktheit zu befreien“.
Wir trauern um Michael J. Kraus.