Mauthausen

Henri Maître (1923–2021)

23.02.2021

Aus Savoyen erreichte uns die traurige Nachricht, dass unser Freund Henri Maître, Präsident der Association de Savoie des déportés, internés et familles des disparus – Aix-les-Bains, am 19. Februar verstorben ist.

Henri Maître (1923–2021)
(KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Ralf Lechner)

Henri Maître war eine außergewöhnliche Person. Wir durften ihn als warmherzigen und zugleich starken Menschen kennenlernen. Maître wurde 1923 in der Nähe von Nizza geboren. Nach Schulabschluss absolvierte er hier eine Feinmechanikerlehre und begann danach in Vénissieux in der Flugzeugindustrie zu arbeiten. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Frankreich nahm Henri ebenso wie seine beiden Brüder – Maurice, der jüngere, wurde im Alter von nur 17 Jahren von der Gestapo ermordet – dem Kampf gegen die Nationalsozialisten auf. Unter dem Nom de Guerre „Émile“ schloss sich Henri der Résistance in Savoyen an. Im Jänner 1944 wurde seine Gruppe nach einem Verrat verhaftet, Henri nach Folter zunächst in das Lager Compiègne und danach als „Nacht-und-Nebel“-Gefangener in das KZ Mauthausen deportiert.

Im April 1944 wurde er schließlich in das KZ Gusen überstellt, wo er in der Flugzeugproduktion der Firma Messerschmitt arbeiten musste. Dabei versuchte er trotz drohender Todesstrafe stets, die Produktion des Kriegsgeräts durch Sabotageakte zu beeinträchtigen. Kurz vor der Befreiung wurde er zurück nach Mauthausen transportiert, wo er sich mit Typhus ansteckte und im Alter von nur 21 Jahren beinahe daran starb. Völlig abgemagert und schwerstkrank wurde er schließlich in ein Pariser Sanatorium gebracht.

Nach der Genesung kehrte er nach Les Couleurs zurück, an den Ort, in dem er in der Résistance aktiv gewesen war – und an dem er seine spätere Ehefrau kennengelernt hatte. Bis zuletzt blieb Henri Maître aktiv und unterstützte auch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Anlässlich der Arbeit am „Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager“ schrieb er uns:

„Hier ist also die Botschaft, die ich zurücklassen möchte, hier ist die Botschaft, die ich in mir trage und denen anbiete, die sie als Hinterlassenschaft eines verschleppten Opfers und eines Zeugen der schrecklichsten Barbarei in der Geschichte der Menschheit der Nachwelt erhalten möchten. Es möge niemals das Opfer der Widerstandskämpfer in Vergessenheit geraten – die Männer und Frauen, denen wir verdanken, dass wir das wertvollste Gut wiederfanden: die Freiheit. Es mögen niemals die Leiden der Deportierten in Vergessenheit geraten oder die Gräuel, denen sie durch den Nazi-Wahnsinn ausgesetzt waren. Diktaturen stellen auch heute noch die größte Gefahr für den Menschen dar, weil die moderne Technik ihnen immer raffiniertere Massenvernichtungswerkzeuge zur Verfügung stellt. Die finstere Realität der Konzentrationslager möge als Basis für eine Änderung im Wesen der Menschen dienen; es ist wichtig zu verstehen, dass der Respekt vor anderen über allem steht, und dass nichts existiert, wenn man seinen Nächsten nicht liebt. Nur die Liebe besteht ewig und ist unzerstörbar: Sie alleine sollte das Verhalten der Menschen leiten und zu allen Zeiten Wachsamkeit erlauben, damit wir alle intakten Geistes überall auf unserem Planeten leben können.“

Wir trauern um Henri Maître. Unsere besondere Anteilnahme gilt der Familie.

Ralf Lechner für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen