Mauthausen

Nachruf: Mauthausen-Überlebender Frank M. Grunwald verstorben

05.09.2023

Er starb im Alter von 90 Jahren in Indianapolis

Nachruf: Mauthausen-Überlebender Frank M. Grunwald verstorben
Screenshot: Frank Grunwald 2023 im Interview mit Amber Maze, Kamera: Philip Paluso
Die Gedenkstätte Mauthausen betrauert einen weiteren Todesfall – Frank M. Grunwald aus Indianapolis ist am 30. August 2023 im Alter von 90 Jahren verstorben. 2015 besuchte er die KZ-Gedenkstätte Mauthausen gemeinsam mit seinem Freund Michael Kraus anlässlich des 70. Gedenkjahres ihrer Befreiung in Gunskirchen. Sie erzählten ihre Lebensgeschichten an mehreren Veranstaltungsorten und Schulen im Rahmen einer Zeitzeugen-Begegnungswoche.
 
Frank wurde 1932 als zweiter Sohn von Vilma Eisenstein Grünwald und Dr. Kurt Grünwald in Olomouc, Tschechoslowakei, geboren. Seine Mutter war eine begabte Pianistin und Frank liebte schon als Kind Musik. Die Familie übersiedelte nach Prag, wo sein Vater eine Arztpraxis eröffnete. Frank wuchs in einem assimilierten Elternhaus auf. Was es bedeutet, jüdisch zu sein, bekam er erst zu spüren, als 1939 die Deutschen in Prag einmarschierten, die Familie die Wohnung und Frank die Schule verlassen musste. 1942 wurden sie ins Ghetto Theresienstadt umgesiedelt und ein Jahr später nach Auschwitz deportiert. Im tschechischen Familienlager waren sie bis Juli 1944 bessergestellt, denn damit sollte dem Roten Kreuz vorgetäuscht werden, dass internationale Konventionen für Gefangene eingehalten würden. Als aber die Kommission ausblieb, wurde das Familienlager liquidiert. Bei der Selektion entschied Josef Mengele die Ermordung von Frank und seinem Bruder Jan. Ihre Eltern sollten zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt werden – der Vater nach Ohrdruf, die Mutter nach Stutthof.
 
In einem unbeobachteten Moment schubste ein Capo namens Brachmann den elfjährigen Frank zu einer Gruppe von 89 tschechischen Buben, die am Leben bleiben sollten, um Zwangsarbeit im Lager Birkenau zu leisten. Wie durch ein Wunder entkam Frank der Gaskammer. Als Vilma bemerkte, dass ihr älterer Sohn immer noch auf der Seite der zu Ermordenden stand, begleitete sie ihn freiwillig in den Tod.
 
Kurt Grünwald wurde abtransportiert und Frank blieb alleine in Auschwitz zurück, bis er im Jänner 1945 bei eisiger Kälte nach drei Tagen Todesmarsch und mehrtägigem Weitertransport im offenen Viehwaggon in Mauthausen eintraf. Mit mehreren jüdischen Jugendlichen wurde er ins Außenlager Melk überstellt, wo er in der Kartoffelküche arbeitete. Am 11. April kam er wieder zurück nach Mauthausen, wurde ins Zeltlager eingewiesen und Ende April drei Tage lang nach Gunskirchen getrieben. Entkräftet kam Frank im Lager mit völlig überfüllten Baracken an. Die meiste Zeit verbrachte er bei Regen und Kälte unter freiem Himmel, gemeinsam mit seinem Freund Michael Kraus, eingehüllt in nur eine Decke.
 
Von den amerikanischen Befreiern wurde Frank in ein Welser Lazarett gebracht, wo ihn sein Vater abholte, der Ohrdruf überlebt hat. Sie kehrten nach Prag zurück, flüchteten jedoch 1949 noch vor der kommunistischen Machtübernahme nach London und wanderten 1951 in die USA aus. – Der Tod der Mutter blieb immer ein Tabu. – Erst viele Jahre später erfuhr Frank, dass der Vater in Birkenau einen Abschiedsbrief von seiner Frau erhalten hatte, den er während seiner Gefangenschaft in Ohrdruf immer bei sich trug. – Frank fand diesen Brief nach dem Tod seines Vaters.
 
In Brooklyn, NY, machte Frank einen Abschluss in Industriedesign und hatte eine erfolgreiche Karriere als Produktdesigner bei General Electrics. Sein Wissen und seine Erfahrungen teilte er gerne mit Studenten des Industriedesigns und war Gastdozent für Design und Designforschung an der School of Visual and Performing Arts der Purdue University. Er war auch ein begeisterter Bildhauer. Seine Liebe zu Kunst und Musik begleitete ihn ein Leben lang.
 
Die Erfahrungen, die er und seine Familie im Zweiten Weltkrieg gemacht haben, wurden 2012 im Film „Misa's Fugue“ dokumentiert. Ein großer Teil dieser Dokumentation wurde von Studenten der Fleetwood High School, PA, unter der Leitung von Sean Gaston produziert.
 
Seine größte Liebe galt seiner Familie, seiner Frau Barbara, seinen beiden Söhnen sowie seinen fünf Enkeln. Wir möchten der Familie unsere große Anteilnahme am Verlust ihres Vaters und Großvaters zum Ausdruck bringen.
 
Der Nachruf wurde von unserer Vermittlerin Angelika Schlackl verfasst.